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August 27, 1991

The Chancellor's [Helmut Kohl's] Telephone Conversation with Hungarian Prime Minister Joszef Antall on Monday, 26 August 1991, 16:55 until 17:05 hours

Abteilungsleiter 2 i.V.                                                                                                     Bonn, den 27. August 1991

MDg Dr. Kaestner

 

V e r m e r k

Betr.: Telefongespräch des Herrn Bundeskanzlers mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Joszef Antall am Montag, dem 26. August, 16.55 bis 17.05 Uhr[1]

Nach herzlicher Begrüßung drückt Ministerpräsident Antall - trotz guter Nachrichten aus der Sowjetunion - seine besondere Sorge über die Lageentwicklung in Jugoslawien aus.

Der Bundeskanzler äußert demgegenüber die Hoffnung, daß sich - wie in der Sowjetunion - die Dinge auch in Jugoslawien in Richtung auf größere Selbständigkeit der Republiken entwickeln werden.

Ministerpräsident Antall berichtet über seinen gestrigen Besuch an der Grenze: Dort sei das Kampfgeschehen bis unmittelbar an die Grenzflüsse Donau und Drau herangekommen. Einige Dörfer (mit kroatischer und ungarischer Bevölkerung) seien isoliert. Zehntausende Flüchtlinge seien bereits nach Ungarn gekommen, darunter auch Angehörige der Miliz. Diese gingen dann nach Westkroatien, um weiterzukämpfen.

Er - Antall - habe vor kurzem mit Präsident Bush und Premierminister Mulroney telefoniert und dringend darum gebeten, Druck auf die serbischen Kommunisten auszuüben.

Auf Fragen des Bundeskanzlers, welchen Lösungsweg er für am günstigsten halten, antwortet Ministerpräsident Antall: In der jetzigen Situation helfe es gar nichts, wenn etwa die Deutschen, die Österreicher und die Ungarn mit einer Anerkennung Sloweniens und Kroatiens vorangingen. Der Bundeskanzler bestätigt, daß auch er dies so sehe.

Ministerpräsident Antall fährt fort, entscheidend sei - und man könne sagen der Erste und Zweite Weltkrieg sei auf Balkan noch nicht zu Ende - daß lediglich Amerikaner, Engländer, Franzosen und Russen auf Serbien Einfluß hätten. Deshalb müsse der Westen insgesamt sowohl auf die serbische als auch die jugoslawische Bundesregierung Druck ausüben, politisch, wirtschaftlich, finanziell und über internationale Organisationen. In diesem Sinne habe er mit Premierminister Major und Staatspräsident Mitterrand gesprochen und wolle versuchen, auch mit Staatspräsident Gorbatschow und Präsident Jelzin in Verbindung zu treten. Er - Antall - bitte den Bundeskanzler, dies auch zu tun.

Der Bundeskanzler fragt, was Ungarn in nächster Zeit zu tun beabsichtige.

Ministerpräsident Antall verweist auf Kontakte mit dem slowenischen bzw. kroatischen Außenminister, die er bzw. ein Mitarbeiter in den letzten Tagen gehabt hätte. An einseitiger Anerkennung beider Republiken durch Ungarn sei nicht zu denken.

Ministerpräsident Antall ergänzt sodann seine Schilderung aus der Grenzregion mit dem Hinweis, daß auch auf ungarischer Seite erhebliche Unruhe herrsche und insbesondere die Furcht bestehe, daß Tschetniki über die Drau kommen und Flüchtlinge - etwa geflohene Militionäre - zurückholen könnten. Die Tschetniki seien leider typisch balkanisch: Sie begingen größte Grausamkeiten gegenüber Frauen und Kinder, benähmen sich wie wilde Tiere. Auch für Ungarn sei die Lageentwicklung eine große Tragödie - man habe eine Minderheit von etwa einer halben Million Menschen in der Wojwodina sowie weitere Minderheiten in Kroatien und Slowenien. Gehe man auf eine Konfliktpartei zu, müßten die Ungarn auf der anderen Seite als erste leiden.

Der Bundeskanzler fragt nach Beurteilung der Lage in den Baltischen Staaten.

Ministerpräsident Antall erläutert, er habe heute im ungarischen Parlament darüber berichtet. Im Kern gehe es darum, daß im Rahmen einer Parlamentsresolution erklärt werden solle, daß Ungarn die Annexion der Baltenstaaten in der Folge des Molotow-Ribbentrop-Pakts nicht anerkenne und damit die Baltenstaaten nicht Teile der Sowjetunion waren oder sind. Sodann werde man diplomatische Kontakte aufnehmen - dies sei aber eine eher technische Frage.

Auf ausdrückliche Frage des Bundeskanzlers bestätigt Ministerpräsident Antall, daß an eine formelle Anerkennung nicht gedacht sei. Er verweist im übrigen darauf, daß auch die RSFSR unter Jelzin diese Position hinsichtlich der Baltenstaaten einnehme.

Der ungarische Generalkonsul in Leningrad - so der Ministerpräsident weiter - sei auf einer Rundreise durch die baltischen Hauptstädte, um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vorzubereiten.

Ministerpräsident Antall fährt fort, er habe diese Frage auch ausführlich mit Präsident Bush besprochen. Dessen Problem scheine zu sein, daß die heutige Grenze Litauens nicht dieselbe wie 1940 sei. Er habe deshalb Sorge, daß das Grenzproblem wieder in die europäische Politik eingeführt werde. Hinsichtlich Estlands und Lettlands gebe es demgegenüber kein Problem.

Ministerpräsident Antall berichtet sodann, daß der sowjetische Botschafter in Budapest seinen Rücktritt erklärt habe - wohl aus Furcht, von Moskau abberufen zu werden. Er habe diesen Botschafter zuletzt empfangen, als er die Botschaften des Notstandskomitees und dann die über die Rückkehr Präsident Gorbatschows übergeben habe. In der dabei geführten Unterhaltung habe der Botschafter sich korrekt verhalten.

Der Bundeskanzler bekräftigt, dies treffe auch auf den hiesigen sowjetischen Botschafter zu.

Auf Frage Ministerpräsident Antalls nach deutschen Plänen hinsichtlich Jugoslawiens drückt der Bundeskanzler seine Überzeugung aus, daß die jetzige Entwicklung in der Sowjetunion auch die Anerkennungsfrage für Slowenien und Kroatien weiter voranbringen werde. Im übrigen stehe das Thema morgen auf einer Sondersitzung der EG-Außenminister. Wir würden uns allerdings von diesem Gremium nicht vollends abhängig machen.

Der Bundeskanzler und Ministerpräsident Antall verabschieden sich und vereinbaren, weiter in engem Kontakt zu bleiben.

(Dr. Kaestner)

 

[1] BArch, B 136/59746, 42-44.

Head of Department 2 i.r.                                                                                                             Bonn, 27 August 1991

MDg Dr. Kaestner, 2210

 

M e m o r a n d u m

 

Subject: The Chancellor's Telephone Conversation with Hungarian Prime Minister Joszef Antall on Monday, 26 August 1991, 16:55 until 17:05 hours[1]

 

After a cordial welcome, Prime Minister Antall expressed his concern about the development of the situation in Yugoslavia, albeit that there was good news in the Soviet Union.

The Chancellor expresses the hope that, such as in the Soviet Union, things in Yugoslavia would develop in the direction of more independence for the republics.

Prime Minister Antall gives a report on his visit at the border yesterday: The battle had reached the areas in close proximity to the boundary rivers, the Danube and the Drau. Some villages (with Croatian and Hungarian populations) were isolated. Tens of thousands of refugees had come to Hungary., among them members of the militia. Those went back to Western Croatia in order to continue fighting. He – Antall – had recently had telephone conversations with President Bush and Prime Minister Mulroney asking them to exercise pressure on the Serbian Communists.  

Upon the question from the Chancellor about the best way out, Prime Minister Antall responds: In the current situation, it would not help at all if the Germans, the Austrians, and the Hungarians pushed ahead with recognizing Slovenia and Croatia.

The Chancellor confirms that he saw things the same way.

Prime Minister Antall continues, saying that it was decisive that the First and the Second World War had not been finished on the Balkans. Only the Americans, British, French, and Russians could influence the Serbs. Thus, the entire West had to exercise pressure both on the Serbian as well as on the Yugoslavian governments – politically, economically, financially, and through international organizations. With this in mind, he had approached Prime Minister Major and he was trying to get in touch with President Gorbachev and President Yeltsin, as well. He – Antall – asked the Chancellor to do the same.

The Chancellor asks what Hungary was planning to do in the near future.

Prime Minister Antall refers to his contact with the Slovenian and Croatian foreign ministers, which he and one his staffers had in the last couple of days. It was inconceivable to consider Hungary’s unilateral recognition of both republics.

Prime Minister Antall amends his report on the situation in the border region, pointing out that there was considerable unrest on the Hungarian side, particularly with regards to the concern that Cetniks might cross the Drau trying to capture refugees and escaped members of the militia. Unfortunately, the Cetniks were typically Balkanese. They were committing enormous atrocities towards women and children and behaved like wild animals. The development of the situation was a tragedy for Hungary as well – one had a minority of about half a million people in the Vojvodina, as well as further minorities in Croatia and Slovenia. One approached one conflict party, but the Hungarians on the other sides had to suffer first.  

The Chancellor inquires about Antall's assessment of the situation in the Baltics.

Prime Minister Antall says that he had reported on the situation in Hungary’s parliament earlier today. At the core was the idea to have a parliamentarian resolution declaring that Hungary did not recognize the annexation of the Baltic states following the Molotov-Ribbentrop-Pact. Thus, the Baltic states had never been part of the Soviet Union. Afterwards, one would establish diplomatic contacts - but this was primarily a technical question.

Upon the Chancellor’s explicit question, Prime Minister Antall says that one did not think of formal recognition. Moreover, he pointed to the fact that the RFSR, under Yeltsin’s lead, took a similar position toward the Baltic states. The Hungarian Consul General in Leningrad was on a circular trip in the Baltic capitals in order to arrange for the establishment of diplomatic relations.

Prime Minister Antall says that he had recently discussed this question with President Bush, whose issue seemed to be that Lithuania’s current border did not match its border in 1940. Thus, his concern was that the question of frontiers could be reintroduced in European policies. However, with regards to Estonia and Latvia, there were no problems.  

Prime Minister Antall reports that the Soviet Ambassador in Hungary had wanted to submit his resignation, fearing that he might be recalled. He had recently received the Ambassador when he handed the declarations from the emergency committee and on Gorbachev’s return thereafter. He had behaved as currently in these conversations.

The Chancellor says that this also applied to the local Soviet Ambassador.

Upon Prime Minister Antall’s question of German plans with regards to Yugoslavia, the Chancellor expresses his conviction that current developments in the Soviet Union would further facilitate the recognition question for Slovenia and Croatia. Apart from that, the issue would be discussed at a special EC Foreign Ministers’ meeting, tomorrow. However, we did not subordinate ourselves entirely to this committee.

The Chancellor and Prime Minister Antall say goodbye and agree to remain in close touch.

(Dr. Kaestner)

 

[1] BArch, B 136/59746, 42-44.

Antall reports about the ensuring war in Yugoslavia close to the border to Hungary emphasizing his concern of a spillover. He reports about tens of  thousands of refugees from Western Croatia.


Document Information

Source

BArch, B 136/59746, 42-44. Contributed, transcribed, and translated by Stephan Kieninger.

Rights

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Original Uploaded Date

2023-05-04

Type

Telephone Conversation

Language

Record ID

300137