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February 13, 1991

The Chancellor's [Helmut Kohl's] Conversation with the President of the Lithuanian Parliament Landsbergis on Thursday, 13 February 1992

AL 2                                                                                                                                       

Bonn, den 13. Februar 1992

V e r m e r k

Betr.: Gespräch des Herrn Bundeskanzlers mit dem litauischen Parlamentspräsidenten Landsbergis am Donnerstag, 13. Februar 1992[1]

Der Bundeskanzler erklärt, er freue sich, daß es möglich sei, kurzfristig mit Parlamentspräsident Landsbergis zusammenzutreffen.

Der Bundeskanzler fragt sodann nach der Entwicklung in Litauen.

P. Landsbergis erwidert, die Lage sei einerseits nicht schlecht, andererseits gebe es aber auch genug Sorgen. Nach der Unabhängigkeit könne Litauen jetzt die Reformen energisch vorantreiben. Das gelte insbesondere für die Wirtschaftsreform, die zugleich eine Sozialreform sei. Im einzelnen handele es sich um die Privatisierung, die Liberalisierung der Preise, die seit Anfang 1992 stufenweise in Gang gekommen sei, sowie die Landreform. Bei der Preisstabilisierung bemühe man sich auch um kompensatorische Maßnahmen für die Bevölkerung. Dadurch sei es bis jetzt gelungen, soziale Erschütterungen zu vermeiden.

Gleichzeitig sei in den Beziehungen zu Rußland eine neue Lage eingetreten. Insbesondere habe man das Problem der früheren Besatzungsarmee geerbt. Rußland sei zwar bereit, die Armee zurückzunehmen. Man sei in Verhandlungen übereingekommen, daß mit dem Rückzug im Februar begonnen werde. Er sei aber nicht sicher, daß dies tatsächlich geschehe.

Auf die Frage des Bundeskanzlers, ob es sich um eine förmliche Zusage handele, erklärt P. Landsbergis, die Zusage sei in einem gemeinsamen Kommuniqué enthalten.

Der Bundeskanzler erklärt, bei uns seien die Sowjets bzw. Russen ihren bisherigen Verpflichtungen nachgekommen, wobei er hoffe, daß jetzt kein neues Problem mit der Rückführung über Litauen eintrete.

P. Landsbergis erwidert, Litauen wolle keine Probleme schaffen. Diese entstünden gegen den Willen Litauens. Hierbei gehe es vor allem um den schlechten Zustand der Eisenbahnen.

Auf die entsprechende Frage des Bundeskanzlers erklärt P. Landsbergis, es stünden noch ca. 40.000 Mann in Litauen, darunter befänden sich nicht zuletzt Fallschirmjäger, die bspw. in Wilna in unmittelbarer Nähe des Parlaments postiert seien. Die Verabredung sei, daß diese Truppen zuerst abgezogen würden.

Ein großes Problem für Litauen sei auch die Frage der Energiesicherheit. Litauen beziehe die Hälfte seines Erdöls aus Rußland, das in einer Raffinerie vor Ort bearbeitet werde. In der Vergangenheit habe es aber wiederholt Lieferstopps oder zumindest einen Rückgang der Lieferungen gegeben. In einem Gespräch mit Jelzin sei verabredet worden, daß Rußland die Quoten des vergangenen Jahres weiter einhalte. Leider gebe es aber Rußland viel Unordnung. An den Bundeskanzler habe er die Bitte, daß er in möglichen Gesprächen mit Jelzin oder anderen russischen Persönlichkeiten Litauen in dieser Frage unterstütze.

Der Bundeskanzler sagt dies zu.

P. Landsbergis weist darauf hin, daß von den Erdöllieferungen auch die Versorgung der anderen baltischen Nachbarn sowie des Gebiets Königsberg abhänge. Um sich aus der einseitigen Abhängigkeit von russischen Öllieferungen zu lösen, plane Litauen den Bau einer ca. 100 km langen Pipeline von Klaipeda (Memel) aus. Mit einer solchen Pipeline wäre man in der Lage, im Krisenfall Erdöl aus anderen Quellen zu beziehen, mit dem dann auch die anderen baltischen Staaten versorgt werden könnten.

Auf eine entsprechende Frage des Bundeskanzlers erklärt P. Landsbergis, früher sei ein Teil des in Litauen verarbeiteten Erdöls exportiert worden, um Devisenerlöse zu erzielen.

Auf eine weitere Frage des Bundeskanzlers erklärt P. Landsbergis, die Raffinerie gehöre jetzt dem Staat Litauen.

Auf die Frage des Bundeskanzlers nach der Ernährungslage, erklärt P. Landsbergis, die Lage sei in Litauen selbst nicht schlecht, allerdings würden viele Nahrungsmittel nach wie vor nach Osten exportiert, teilweise auch auf illegalem Weg.

Man befinde sich in der paradoxen Lage, daß Rußland, das man nach wie vor beliefere, die Einfuhr von Nahrungsmitteln reduziere, um bei der Erdölrechnung Überschüsse zu erzielen. Dahinter stehe auf russischer Seite offenbar die Überlegung, daß man die Lebensmittel kostenlos aus dem Westen erhalte. Aus seiner Sicht wäre es gut, wenn die Fragen westlicher Nahrungsmittelhilfe mit den Lieferungen aus Litauen verknüpft werden könne.

Der Bundeskanzler erteilt den Auftrag, diese Frage zu prüfen.

P. Landsbergis fährt fort, es wäre vor allem wichtig, wenn Deutschland beim Bau der Pipeline helfen könne. Dies würde Litauen auch zusätzlichen politischen Spielraum schaffen, über die Einzelheiten habe er bereits ausführlich mit Bundesminister Spranger gesprochen.

Der Bundeskanzler stellt die Frage, ob mit dem Bau der Pipeline auch die Energieversorgung der beiden baltischen Nachbarn gesichert werde.

P. Landsbergis bejaht diese Frage.

Der Bundeskanzler gibt dem Unterzeichner den Auftrag, die Frage einer deutschen Beteiligung am Bau der Pipeline prüfen zu lassen.

P. Landsbergis weist darauf hin, daß auch Königsberg interessiert sei, eine von dem dortigen Hafen ausgehende Pipeline zu bauen. Im übrigen habe er den Eindruck, daß man in dem dortigen Gebiet eine größere Selbständigkeit anstrebe. Dies habe er auch heute morgen gegenüber MdB Stercken erläutert.

Der Bundeskanzler bittet P. Landsbergis, ihm zur Frage der Pipeline ein Memorandum zu schicken und fügt hinzu, Litauen habe insofern ein starkes Argument, als es die Energieversorgung für alle drei baltischen Staaten stabilisieren könne. Wie sich die Lage in Ostpreußen entwickele, wisse er nicht, aber in dieser Frage halte er sich sehr zurück.

P. Landsbergis stellt die Frage, ob es nach Auffassung des Bundeskanzlers nicht an der Zeit sei, einen deutsch-litauischen Gesamtvertrag zu erarbeiten.

Der Bundeskanzler erwidert, wir hätten hierüber gesprochen. Wenn man dies machen wolle, müsse man aber mit allen drei Staaten solche Verträge schließen. Er wolle in diesem Zusammenhang folgendes anmerken: Wenn der Eindruck entstanden sein sollte, wir würden hinsichtlich der Behandlung der drei baltischen Staaten Unterschiede machen, so sei dieser Eindruck falsch.

P. Landsbergis erwidert, er habe diesen Eindruck nicht, aber wenn einer mehr Initiative zeige, so solle man dies auch unterstützen.

Der Bundeskanzler weist darauf hin, daß er sich stets mit großem Nachdruck für die Entwicklung der baltischen Staaten eingesetzt habe und dies auch weiterhin tun werde.

P. Landsbergis erklärt abschließend, er wolle noch einmal auf die Frage der Eisenbahn zurückkommen und klarstellen, daß die russische Armee nicht nur aus Litauen, sondern auch aus Deutschland abziehen müsse.

(Dr. Hartmann)

 

 

[1] BArch, B 136/59747, 257-260.

Head of Department 2                                                                                                  

Bonn, 13 February 1992

M e m o r a n d u m

Subject: The Chancellor's Conversation with the President of the Lithuanian Parliament Landsbergis on Thursday, 13 February 1992[1]

The Chancellor says that he was glad that it was possible to meet Parliamentary President Landsbergis on such short notice.

The Chancellor then queries about developments in Lithuania

P. Landsbergis replies that the situation was not too bad, though on the other hand, there were also enough concerns. Following independence, Lithuania was able to push forward reforms energetically. This applied particularly to economic reforms, which were social reforms at the same time. More specifically these handled privatization, the liberalization of prices, which have been progressively underway since early 1992, and land reform. In terms of price stabilization, one was also trying hard to achieve compensational measure for the population. Thus, one had managed to avoid social unrest so far.

Concurrently, there was a new situation in relations with Russia. In particular, one had inherited the problem of the former occupational army. Russia was willing to withdraw the army. In negotiations, they had found a consensus that this would begin in February. However, he was not certain whether this would really happen.

Upon the Chancellor’s question as to whether this was a formal promise, P. Landsbergis said that the pledge was contained in a joint communiqué.

The Chancellor says that, in our case, the Soviets or the Russians had fulfilled their commitments so far. He hoped that no new problem would emerge with returning troop transits via Lithuania.

P. Landsbergis replies that Lithuania did not want to create new problems. This was against Lithuania’s will. This particularly concerned the poor condition of railways.

Upon the Chancellor’s relevant question, P. Landsbergis explains that there were still 40,000 soldiers in Lithuania, among them paratroopers deployed in close proximity to Lithuania’s parliament. There was agreement to withdraw these troops first.

Energy security was another great problem for Lithuania. More than half of Lithuania’s oil supplies come from Russia and are processed in an on-site refinery plant. In the past, there had been repeated stops in supplies or at least a decrease in supplies. In a recent conversation, Yeltsin had agreed to maintain last year’s quota of supplies. Unfortunately, there was a lot of chaos in Russia. He asked the Chancellor to support Lithuania’s requests in his contacts with Yeltsin and other Russian leaders.

The Chancellor agrees to this.

P. Landsbergis refers to the oil dependencies of the other Baltic countries as well as Kaliningrad. In order to break away from its unilateral oil dependency on Russian supplies, Lithuania was planning the construction of a 100km oil pipeline from Klaipeda (Memel). With such a pipeline, in a crisis situation, one would be able to obtain oil supplies from other sources that could also be shared with the other Baltic countries.  

Upon the Chancellor’s question, P. Landsbergis explains that part of Lithuania’s previously refined oil supplies had been sold in order to obtain hard currency.

Upon a further question from the Chancellor, P. Landsbergis points out that the refinery is now owned by the Lithuanian state.

Upon the Chancellor’s query about the food situation, P. Landsbergis says the situation was not bad in Lithuania itself. However, plenty of food was still exported eastward, partly in illegal ways.

One was in paradoxical situation. One exported food to Russia while Russia reduced the imports of food to reach surpluses in terms of oil revenues. Apparently, this was caused by Russia’s rationale that one could obtain food from the West for free. From his perspective, it would be good for the West to link its food assistance with the question of food supplies from Lithuania.

The Chancellor orders his staff to look into this question.

P. Landsbergis continues, saying that it would be especially important if Germany could assist in the construction of the pipeline. This would give Lithuania additional political room for maneuvering. He had already discussed the details with Federal Minister Spanger.

The Chancellor queries about whether the construction of the pipeline would also assure the energy supplies of both Baltic neighboring states.

P. Landsbergis confirms this.

The Chancellor orders the signatory to elaborate on Germany’s participation in the construction of the pipeline.

P. Landsbergis points out that Kaliningrad was also interested in the construction of a pipeline based at its local port. Furthermore, his impression was that there wanted to strive for more autonomy there. He had already told Stercken of the German Bundestag about this earlier this morning.

The Chancellor asks P. Landsbergis to send him a memorandum with regards to the pipeline issue, adding that Lithuania had a strong argument that it could stabilize energy supplies for all three Baltic states.

He did not know how things would develop in Eastern Prussia. He kept a low profile on this issue.

P. Landsbergis asks the Chancellor whether the time was not ripe for the conclusion of a comprehensive German-Lithuanian treaty.

The Chancellor replies that we had already discussed this. If one wanted to do this, one had to conclude agreements with all three Baltic states.

In this regard, he wanted to emphasize the following: It was wrong to assume that we would make distinctions between the three Baltic states.

P. Landsbergis replies that he did not have this impression, but one ought to support the one who showed more initiative.

The Chancellor points out that he had always stood up for the independence of the Baltic states and would continue to do so.

P. Landsbergis says that he briefly wanted to return to the railway issue, making it clear that Russia’s army should not just withdraw from Lithuania but from Germany as well.

(Dr. Hartmann)

 

 

[1] BArch, B 136/59747, 257-260.

 Kohl and Landsbergis consult on developments in Lithuania and on the problem of "Soviet" troop withdrawals from the country. They review Lithuanian plans for the construction of an oil pipeline from Klaipeda on the Baltic Sea in order to be less dependent from Russian supplies.


Document Information

Source

BArch, B 136/59747, 257-260. Contributed, transcribed, and translated by Stephan Kieninger.

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Original Uploaded Date

2023-05-16

Type

Memorandum of Conversation

Language

Record ID

300162